Unter Kollegen – Autoreninterview mit Janna Ruth

Janna Ruth – eine Jungautorin mit großer Zukunft, wenn man nach dem Erfolg ihres Debütromans „Tanz der Feuerblüten“ gehen darf, der selbst sie ein wenig überrascht hat. Ich hatte das Privileg, praktisch vorab lesen zu dürfen, und war schon vor der Fertigstellung des Romanes begeistert. Mit ihrem Werk hat Janna das geschafft, wovon viele andere Autoren träumen: eine Veröffentlichung bei einem der großen Publikumsverlage.

 


 

Die Frage hast du wahrscheinlich schon öfters beantwortet, trotzdem: Wie bist du zum Schreiben gekommen?

>> Ich habe eigentlich schon immer Geschichten erfunden und aufgeschrieben, beziehungsweise früher als Comics aufgemalt. Über zehn Jahre lang schrieb ich zum Beispiel an einer Urban Fantasyserie im Stil von Buffy. Das Veröffentlichen war aber ungefähr ein so ferner Traum wie zum Mond fliegen. Erst 2014, als ich zum ersten Mal beim NaNoWriMo teilnahm, platzte der Knoten – und das auch noch auf Englisch! Das Buch ist ein echtes Herzensprojekt geworden und seitdem purzeln die Ideen nur so.

 

Warum ausgerechnet Fantasy?

>> Lange Zeit war Fantasy mein einziges Genre und zwar deshalb, weil ich es von kleinauf so viel spannender als die Realität fand. Wie soll sich auch ein ewig gleicher Schultagablauf mit der Rettung der Welt messen? Ich wollte immer Abenteuer, große Gefühle und neue Welten. Genau um diesen Zwiespalt zwischen (scheinbar) dröger Realität und wunderbarer Fantasie geht es übrigens in dem Herzensprojekt.

Mittlerweile fühle ich mich auch in der Realität recht gut unterhalten – wahrscheinlich schreibe ich deshalb auch hin und wieder einen „realen“ Roman. Aber Fantasy übt eben doch immer noch eine große Faszination auf mich aus. Es ist wie ein großer Sandkasten, in dem man die Figuren an ihre Grenzen bringen, die Menschlichkeit auf die Probe stellen und gesellschaftliche Zwickmühlen erkunden kann. Deshalb liebe ich es auch heute noch, meine eigenen Welten aufzubauen und vor allem mit Moralvorstellungen herumzuspielen.

 

Viele Autoren warten jahrelang auf ihre erste Veröffentlichung. Bei dir ging es etwas schneller als gedacht. Magst du kurz erzählen, wie das kam?

>> Ich bin selbst sehr überrascht, wie schnell das ging. Ich habe zwar Ende 2014 beschlossen meinen Roman zu veröffentlichen, aber das musste ja noch warten, bis ich den Roman überarbeitet hatte. Vor allem stellte ich mich auf einen langwierigen Prozess ein, in dem mein Buch auf irgendwelchen Agenturtischen verstaubt.

Anfang 2016 meldete ich mich auf Anraten meiner Freundin beim Tintenzirkel an und hatte etwa zur selben Zeit tatsächlich den Veröffentlichungsplan ins Auge gefasst. Tja, und dann lernte ich im Eiltempo, wie das eigentlich so mit den Veröffentlichungen abläuft und dass das gar nicht so ein irrer Traum ist, der sich vielleicht irgendwann mal erfüllt. Ganz im Gegenteil, im Selfpublishing könnte schon im nächsten Monat mein Buch „geschrieben“ sein.

Aber nicht nur das, durch den Tintenzirkel wurde ich auch auf Ausschreibungen aufmerksam und habe einfach mal munter begonnen mitzumachen. Relativ bald fiel mir da auch die Ausschreibung für Ueberreuter in die Hände und ein halbes Jahr später war ich eine Gewinnerin des Schreibwettbewerbs und blickte erwartungsvoll meinem Debüt entgegen.

Im Grunde habe ich innerhalb eines Jahres meinen Traum zur Wirklichkeit gemacht und momentan sieht es auch nicht so aus, als würde ich bald aufwachen müssen.

 

Das Setting, in dem Feuerblüten spielt, ist an ein mittelalterliches Asien angelehnt. Hast du einen persönlichen Bezug zu dieser Kultur?

>> Mit der aufkommende Mangawelle 1996-98 in Deutschland wurde bei mir das Interesse an Japan geweckt. Ich finde die Kultur unheimlich interessant, spannend und auch elegant. Vor etwa 15 Jahren dann fiel mir meine erste GeoEpoche in die Hände: Das kaiserliche Japan. Darin hat mich vor allem ein Bericht tief berührt, der zur Zeit des Prinzen Genji. Eine Zeit, in der die Schönheit das größte Gut war und die Adligen sich im Wettstreit der Künste maßen. Der ist über all die Jahre an mir hängen geblieben, genauso wie die detaillierte Beschreibung, wie man einen Liebesbrief damals aufsetzte.

Kurz bevor ich 2015 dann nach Deutschland zurückgekehrt bin, habe ich mir meinen Jugendtraum erfüllt und bin drei Wochen lang nach Japan gefahren. Ich wurde nicht enttäuscht, das Land ist einfach wunderschön und vielfältig, sowohl was die Natur angeht, als auch die Kunstfertigkeit, mit der die Japaner Tempel, Gärten und sogar ihr Essen zubereiten. Viele dieser Eindrücke wie der grüne Bambuswald haben es später in das Buch geschafft.

 

Ich muss sagen, dass ich selten in ein so atmosphärisch dichtes und zugleich leichtes und bildgewaltiges Setting eintauchen durfte. Ich habe es sehr genossen. Zugleich vermittelt die Gesellschaft, in der die Geschichte spielt ein sehr beklemmendes Gefühl. Dieser Widerspruch ist unglaublich faszinierend. Kannst du sagen, wie dir dieses Kunststück gelungen ist?

>> Wow, das klingt toll, wie du das schreibst. Vorweg: Ich habe für das Buch einen deutlich poetischeren Stil gewählt, als den, in dem ich normalerweise schreibe. Ich wollte damit die Gesellschaft des Abendrots auch durch das Schriftbild charakterisieren und die Bilder malen, die sich in Japan in meinen Kopf geschlichen hatten. Die Geschichte wiederum hat eine längere Entstehungsgeschichte. Sie ist in ihrer Urform nämlich schon in der Serie erzählt worden, hat sich aber im Laufe des Schreibens in eine ganz andere Richtung entwickelt. Ich glaube, was mir damals von dem Artikel hängengeblieben war, war die Aussage, dass die Welt außerhalb des Palastes quasi nicht existierte. Diese eigentlich so abhängige Gesellschaft, die in ihrer eigenen schönen Welt lebt, war ein Paradoxon, das mich schlussendlich zu der Geschichte inspiriert hat.

Wie mir das gelungen ist, genau das auch rüberzubringen – keine Ahnung. Vielleicht, weil die Geschichte so greifbar in meinem Kopf saß und ich mich in jede einzelne der Figuren hineinversetzen konnte, um so ein stimmiges Gesamtbild zu erschaffen.

 

Welche der Figuren ist denn dein Liebling und was zeichnet ihn oder auch sie besonders aus?

>> Uff, schwere Frage. Irgendwie mag ich sie ja alle. Im Grunde ist es Jinnans Geschichte und seinen inneren Konflikt, seine leidenschaftliche Natur und die Anforderungen der Gesellschaft unter einen Hut zu bekommen, war für mich unglaublich wichtig. Überrascht hat mich aber weder Jinnan noch Ayaka, sondern Mahekouzhen, der Prinz des Metalls, der nach einem Unfall nicht mehr den Schönheitsidealen entspricht und sogar dadurch seinen Anspruch auf das Kaisertum abtreten musste. Ich finde ihn einen unwahrscheinlich faszinierenden Charakter, der aus dem Rahmen des selbstverliebten Hofes deutlich herausfällt und einfach grundsympathisch ist. Ich hätte gerne noch viel mehr über seine Geschichte geschrieben.

 

Eine Gesellschaft, in der Schönheit und Harmonie die höchsten Werte sind – das klingt zunächst einmal wunderbar. Die Schattenseiten werden aber sehr bald deutlich, nicht nur beim Thema Diskriminierung, sondern auch durch das Unvermögen der rigiden Gesellschaft, einer echten Bedrohung zu begegnen. Stehst du der Idee einer utopischen Gesellschaft allgemein eher skeptisch gegenüber?

>> Eine utopische Gesellschaft gibt es für mich nicht und wird es auch nie geben. Ich bin allerdings auch kein Freund von dem dystopischen Ausblick, der gerade so trendy ist. Genaugenommen stehe ich der Zukunft recht optimistisch gegenüber, weiß aber auch, dass wir Menschen nun mal Menschen sind und sich immer irgendwo Konflikte auftun werden. In dem Buch ging es mir deshalb auch weniger darum, diese Gesellschaft zu dekonstruieren oder sogar im Spiegelbild der Natur zu bewerten, sondern viel eher darauf zu deuten, dass das Gleichgewicht in dieser Welt gestört war und am Ende wiederhergestellt wird. Weder das eine noch das andere ist gut oder böse und so ist meine Hoffnung für die Zukunft auch, dass viele verschiedene Ansichten, Lebensweisen und Kulturen koexistieren können.

 

Diese Störung im Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur spiegelt sich ja auch in der Gesellschaftsstruktur deiner Geschichte wieder – zum Beispiel in der Diskriminierung der Menschen, die das Element Feuer beherrschen. Siehst du auch in unserer Welt einen Zusammenhang zwischen dem Ungleichgewicht zwischen Mensch und Umwelt und der Disharmonie innerhalb der Menschen?

>> Nein, nicht direkt. Über die Rolle des Umweltschutzes in Fantasywelten, u.a. den Feuerblüten habe ich schon in einem Blogbeitrag einiges geschrieben. Ich halte es auch in unserer Welt für wichtig, dass man ein Gleichgewicht findet zwischen dem Schutz der Natur und unseren Bedürfnissen als Zivilisation. Einen hundertprozentigen Umweltschutz kann es meiner Meinung nach nicht geben und vielerorts muss einfach ein Kompromiss gefunden werden.

Sicher hat die Ausführung des Umweltschutzes auch mit internationalen Beziehungen zu tun. Man sieht ja allein an den Klimakonferenzen wie schwierig es ist, dort auf einen Nenner zu kommen und wie wenig man erreichen kann, wenn nicht alle mitziehen. Aber um da einen direkten Zusammenhang mit außenpolitischen Konflikten oder sogar Rassismus herzustellen, muss man schon sehr weit herholen. Auch wenn das sicher eine interessante These ist.

 

Einer der zentralen Konflikte in Feuerblüten dreht sich um eine Liebesbeziehung. Dein Held Jinnan bemüht sich um die Gunst der schönen Ayaka – einer verheirateten Frau. Für viele ist das ein moralisches NoGo. Wie bist du an dieses Thema herangegangen?

>> Jetzt, wo du das sagst … Ich habe da, ehrlich gesagt, gar nicht so sehr drüber nachgedacht, weil das Setting das nicht hergibt. Damals, zur Zeit des Prinzen Genji, waren Affären Teil des höfischen Lebens. Es war eben eine Kunstform, die Liebe der Angebeteten zu erringen und so bin ich auch an das Thema herangegangen. Genau das meine ich auch, wenn ich davon spreche, mit verschiedenen Moralvorstellungen zu spielen. Klar, im (west)europäischen Weltbild wäre ich da ganz anders mit umgegangen, aber in dieses Setting passte es einfach und sorgte natürlich auch gewissermaßen für einen Konflikt, wenn auch nicht in der Form, wie ihm vielleicht in unserer Gesellschaft begegnet werden würde. Zumal man ja auch sagen muss, dass Ayaka die fünfte von acht Ehefrauen des Wasserprinzen ist, also auch dort schon eine ganz andere Grundlage geschaffen wurde.

 

Tanz der Feuerblüten ist ein eher kurzer Romane, dessen Setting doch sehr viel Potenzial für weitere Romane bieten würde. Werden wir mehr Geschichten aus dem Palast des Abendrots lesen können? Oder hast du dich inzwischen anderen Projekten zugewandt?

>> Schwierig. Ich liebe das Setting und hätte es gerne mit etwas mehr Leben gefüllt. 100 Seiten sind wirklich verdammt kurz. Aber ich finde auch, dass die Geschichte von Jinnan und Ayaka und auch vom Palast des Abendrots abgeschlossen ist. Ich kann mir durchaus vorstellen, zu einem ähnlichen Setting zurückzukehren, aber momentan gibt es keine Pläne diesbezüglich.

Stattdessen bereite ich mich auf die Veröffentlichung meiner Märchenadaption in der Märchenspinnerei vor, in der schon wieder getanzt wird, diesmal aber richtig, versuche mein Herzensprojekt in den USA vorzustellen, schreibe an einem eher ans Heilige Römische Reich orientierten Dark-Fantasyzyklus und natürlich weiterhin meiner Serie und plane derweil weitere Projekte, ganz besonders ein Wissenschaftsabenteuer für Kinder. Ach, und ein paar Kurzgeschichten kommen dieses Jahr auch noch raus: Zwei Märchen und eine … utopische Zukunftsvision.

 

Welche Qualitäten, denkst du, zeichnen dich als Autorin besonders aus?

>> Momentan werde ich ja vor allem für meinen malerischen Schreibstil gelobt, der wie gesagt, gar nicht mal mein typischer Stil ist. Das kommt für mich etwas unerwartet, weil ich mich selbst als jemand sehe, der mit Beschreibungen weniger gut zurecht kommt und dessen Stärke stattdessen in lebensechten, gepfefferten und plotsteigernden Dialogen liegt. Der Grund darin liegt in meiner Serie, die tatsächlich nur aus Dialogen und Regieanweisungen besteht und über die schon oft verwundert gesagt wurde, dass ich in diesen Dialogen unheimlich viel transportiere, was normalerweise in der Beschreibung steckt.

Eine zweite Stärke, die sich übrigens auch in mein reales Leben auswirkt, ist meine Fähigkeit, mich in verschiedene Persönlichkeiten hineinzuversetzen. Zum Beispiel, habe ich festgestellt, dass einer der Antagonisten in meinem Dark-Fantasy Zyklus gar kein schlechter Mann ist. Im Gegenteil. Wäre die Geschichte aus seiner Sicht erzählt, würde ich mit wehenden Fahnen mit ihm mitfiebern und mich über meine jetzigen Protagonisten aufregen. Es kommt eben alles darauf an, aus welchem Blickwinkel man eine Geschichte betrachtet und es ist mir unheimlich wichtig, dass niemand aus seiner eigenen Sicht heraus „böse“ ist.

 


Janna Ruth

Ich bin 1986 in Berlin geboren worden und schreibe tagsüber an meiner Doktorarbeit

in Geologie.Während ich dort erforsche, wie sich unsere Welt formt und bewegt, erschaffe ich nachts eigene Welten. Nachdem ich sechs Jahre lang in Neuseeland gelebt habe, wohne ich seit 2015 mitmeinem Mann und den drei Söhnen im schönen Potsdam. Wenn ich mal nicht an meinen Geschichten arbeite, reise ich gerne, zeichne doch ab und zu mal und betätige mich sportlich in der Luftakrobatik.

www.janna-ruth.com

Tanz der Feuerblüten

 

Ueberreuter, 2017

100 Seiten, eBook

2,99€

 

Im Palast des Abendrots strebt alles nach vollkommener Schönheit: Wasser, Metall, Holz und Luft werden zu bewundernswerten Kunstwerken geformt, an denen sich die höfische Gesellschaft ergötzen kann. Als der junge Schwerttänzer Jinnan aus der Provinz den Hof betritt, fühlt er sich unbeholfen und von der komplizierten Etikette überfordert. Dann jedoch trifft er auf die bildhübsche Ayaka und lässt sich von ihrem Luftspiel verzaubern. Wider jegliche Vernunft versucht Jinnan, Ayakas Herz zu erobern – wohl wissend, dass er mit dem Feuer spielt …

 

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