#15 | Bestien

Der Dunkle Meister war vergangen und von seiner Macht waren nur noch die Prismare geblieben. So machten sich die Schüler daran, auch das Erbe ihres Lehrers zu versiegeln, auf dass es ihnen am Ende der Zeit gute Dienste leisten würde.

 

***

 

Vargas erwachte und wusste, dass er nicht mehr alleine war. Was auch immer dieses Ding war – nun saß es tief in Vargas’ Seele und grinste zufrieden.
Mein.
Vargas knurrte. Raus!
Mein.
“Nein!“
Vargas wollte sich in die Höhe stemmen. Ein Ruck ging durch seinen Körper und schleuderte ihn zurück auf den Boden. Er war noch immer gefesselt und die Stricke schnitten tiefer und fester in sein Fleisch als zuvor. Grobe Hände packten ihn und drückten ihn hinunter. Vargas brüllte und trat aus. Er erwischte jemanden und ein lauter Fluch folgte.
“Kein Bannblatt mehr da! Boss, du musst …”
“Vergiss es!”, zischte Marjella
Der Klang ihrer Stimme färbte die Welt vor Vargas Augen tiefrot. Er bäumte sich auf, wand sich aus den Händen der Menschen und zerrte an seinen Fesseln. Die Seile knarrten. Vargas spürte keinen Schmerz, als seine Haut aufriss. Es war alles egal, und wenn er sich die Knochen brach, er wollte diese verdammte Elfe, wollte ihr den Hals umdrehen!
“Boss!“
Vargas versuchte seinen Kopf als Waffe einsetzen, aber einer der Männer hielt ihn fest. Er biss zu und schmeckte Blut. Ein schriller Schrei füllte die Luft.
Marjella fluchte. Vargas sah sie kommen, ließ sein Opfer los und brüllte ihr entgegen. Wenn die ihre Magie einsetzte, würde er …
Marjella trat ihm mit voller Wucht gegen die Brust. Vargas’ Atem versagte. Er rang nach Luft, keuchte. Marjella zerrte zwei ihrer Männer beiseite, packte Vargas und schlug ihm mit geballter Faust ins Gesicht. Sein Kopf wurde nach hinten geschleudert. Wirbelnde Schatten blendeten ihn. Er fiel zu Boden und die Menschen ließen ihn los, wichen vor ihrer Anführerin zurück, die Vargas’ Kopf packte und ihm ihre Daumen in die Augen bohrte. Er schrie auf.
“Halt die Fresse!“ Marjella griff härter zu. “Ich will keinen Ton mehr von dir hören! Das Ding in dir ist der einzige Grund, warum du noch lebst und warum du das noch eine Weile tun wirst. Aber ich schwöre dir: wenn du nicht endlich still bist schneide ich dir erst deinen dämlichen Zopf ab, dann deinen Schwanz und dann die ganzen wichtigen Teile!“
Sie stieß Vargas so heftig von sich, dass sein Kopf auf den Boden prallte und leise knackte. Stechender Schmerz übertrumpft den brennenden Zorn und ein kaltes, schneidendes Gefühl durchzog Vargas’ Körper – Hunger, Müdigkeit, Erschöpfung und Schmerzen gewannen die Oberhand und nahmen ihm die Kraft sich weiter zu wehren.
Während sein Körper kapitulierte und liegen blieb, schrie Vargas innerlich. Er sah Marjella über sich stehen, aber ein trüber Schleier hatte sich um alles gelegt. Das Ding in ihm lachte.
Ohne mich, bist du nichts.
Vargas öffnete den Mund. Statt einer Antwort kam nur ein Husten heraus.
Marjellas Mundwinkel zuckten und sie zischte: “Besser so für dich.“
“Na schön, na schön.“ Furgam griff vorsichtig nach Marjella und zog sie von Vargas fort. “Schluss jetzt, ihr zwei Turteltäubchen. Wir sollten von hier verschwinden.“
Marjella schnaubte verächtlich, schüttelte Furgams Hand ab und ging. Er sah ihr kopfschüttelnd hinterher und ließ sich dann neben Vargas in die Hocke sinken.
Der Alb gab nur ein leises Stöhnen von sich. Furgam seufzte. “Ärger sie nicht mehr, in Ordnung? Sonst wird’s für mich unangenehm und wenn’s für mich unangenehm wird, geb ich das großzügig weiter.“
Vargas gab einen hasserfüllten Laut von sich.
“Ja, ja“, murmelte Furgam. “Einfach brav sein, dann ist’s schnell vorüber. Wir sind wirklich nicht dein Problem.“
“Was dann?“, knurrte Vargas. “Was habt ihr mir … eingepflanzt?“
Furgam kratzte sich übers Kinn. “Nennt man glaube ich Prismar. Und gerade sah’s aus wie ein besonders hässlicher Ork, der sich durch deine Haut durch rauskratzen wollte.“
Vargas riss die Augen auf. “Was?!“
Furgam hob die Schultern. “Keine Ahnung. Schön war’s nicht und ganz ehrlich – du hast mein Mitleid.“
Vargas spuckte aus. “Kannst du behalten.“
Ein breites Grinsen verzog Furgams Narben. Er hielt etwas in die Höhe. “Und wenn mein Mitleid sich in dieser Form manifi … manifa … wenn es so aussieht?”
Vargas starrte auf die Flasche. Sie war aus Metall und die geringe Größe sprach dafür, dass es nicht viel von ihrem Inhalt bräuchte, um eine angenehm betäubende Wirkung zu erzielen.
Furgam zog ihn in die Höhe und klopfte ihm auf den Rücken. Dann starrte er für einen Augenblick entsetzt seine Hand an, wischte sie an seiner Hose ab und raunte Vargas zu: “Also das ist der Handel: du benimmst dich – kein Beißen, kein Spucken, kein all zu lautes Brüllen – und ich sorg’ dafür, dass du es halbwegs bequem hast.“

 

Vargas ließ sich von Furgam auf die Beine ziehen, die beinahe unter ihm nachgaben. Er schüttelte das taube Gefühl aus seinem Kopf, genoss das Prickeln und Brennen, das in seinem Magen begann und sich bis in die Finger und Zehen ausbreitete, und folgte dem Kopfgeldjäger.
“Hätte ich gewusst, dass es nur einen Schluck Schnaps braucht, um dich handzahm zu bekommen …“ Furgam grinste.
“Wart’s ab, bis ich die Hände frei habe, Alter“, brummte Vargas. “Dann gehört die Flasche mir und eure Gedärme den Tieren.“
“Schluss mit dem Gequatsche!“ Marjella hatte ihr Pferd zu Vargas und Furgam herüber getrieben und sah zornig auf die beiden herab. Vargas erwiderte ihren Blick und spuckte aus.
“Sachte, sachte“, brummte Furgam. “Wir kriegen das schon hin. Ich glaube wenn wir ihn auf ein Pferd setzten und festbinden, könnte …“
“Nein.“ Marjella beugte sich zu Furgam hinunter. “Ich habe keine Geduld für deine Tricks und Spielchen, Alter. Nicht mehr. Er ist Gepäck, Ware, und wird genauso behandelt.”
“Ich denke nur, dass es auf Dauer einfacher ist …“
“Hör’ auf zu denken und zu reden und tu, was ich dir sage”, fauchte Marjella. “Pack ihn aufs Pferd. Wenn dir das nicht passt, darfst du ihn gerne mit bei dir aufsitzen lassen.“
Sie wendete ihr Pferd ohne eine Antwort abzuwarten. Furgam sah ihr hinterher und fluchte leise. Als er sich wieder an Vargas wandte, verzog er das Gesicht. “Wie stehen die Chancen, dass du mich heute nicht umbringst?“
Vargas legte den Kopf schief. “Wie voll ist deine Flasche?“

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