#20 | Bestien

Marjella sah in Vargas‘ Augen als er sie aufschlug. Noch immer brannte der Zorn darin, aber es war sein eigener. Marjella packte seine Hände, bevor er ihr die Messer in den Bauch rammen konnte.

“Schluss mit dem Unsinn“, schnaubte sie. “Wir sind noch nicht raus aus der Bredouille.“

Vargas warf einen schnellen Blick zur Seite. Die Orks hatten sich ein ganzes Stück zurückgezogen und beobachteten Alb und Elfe unschlüssig.

Vargas knurrte. “Ich habe dir gesagt, du hast in meinem Kopf nichts zu suchen.“

“Als ob mir das Spaß machen würde, Idiot“, antwortete Marjella ungeduldig. “Ohne mich wärst du jetzt nur noch eine Marionette.“

“Ohne dich wäre das alles nicht passiert!“

Marjella schüttelte den Kopf. Es war nicht so, als hätte sie Dankbarkeit erwartet. “Lass uns verschwinden. Dann können wir in Ruhe streiten.“

Vargas verzog das Gesicht. “Ja. Wir haben da noch was zu klären.“

“Also los.“ Marjella hob ihr Schwert und drehte sich zu den Orks um. “Irgendwo ist hier noch ein Pferd, das holen wir uns.“

Vargas nickte. Gemeinsam machten sie einige Schritte. Die Reihen um sie herum lichteten sich nicht, verschoben sich nur ein wenig. Die Orks hielten den Kreis geschlossen, wagten aber nicht näher heran zu kommen.

“War ich so beeindruckend?“, fragte Vargas.

“Abscheulich. Ekelerregend. Widerlich. Aber das hat ja nichts mit dem Prismar zu tun.“

Vargas lachte leise. “Ja, für dich nehme ich mir Zeit.“

“Ja ja. Sobald wir hier raus sind“, murrte Marjella und hob ihr Schwert. “Schrei sie an.“

Vargas brüllte. Die Orks sprangen zurück.

Marjella nutzte die Lücke und lief los. Vargas folgte ihr, lachte und meinte mit rauer Kehle: “Ich könnte ein wenig von Furgams Vorrat vertragen.“

“Idiot.“

Die Orks hatten ihren Kreis wieder geschlossen. Den ersten schien zu dämmern, dass – was auch immer mit Vargas geschehen war – vorbei war. Ihre Mienen waren finster. Wenn sie sich zum nächsten Angriff durchringen konnten, wäre der tödlich. Sie hatten den Spaß an ihrem Spielchen verloren. Aber noch wagte keiner den ersten Schritt.

“Nochmal.“ Marjella hatte das Pferd entdeckt.

Bevor Vargas den Mund aufmachen konnte, wichen die Orks beiseite.

“Mist“, murmelte Marjella und starrte das Ding an, dass sich ihr und Vargas nun näherte. Es war riesig, dreimal so groß wie die anderen Orks, überragte sogar Vargas um ein ganzes Stück, und breit wie ein Fels. Sein Gang war schleppen und gebeugt. Auf deinem Rücken lasteten verschiedene Kisten und ein halbes Pferd. Darüber thronte eine winzige, hässliche Gestalt, die dem Riesen unter sich immer wieder Schläge mit mehreren kleinen Hämmern verpasste und wütend keifte. Um den Hals des Giftzwerges lag eine Kette aus grobem Metall, die einen gewaltigen grünen Stein hielt. Marjellas Blick blieb daran haften. Sie konnte ihn nicht abwenden.

“Seelenstein“, murmelte sie und ein heißes Prickeln glitt über ihren Nacken. “Mindestens fünfzig Mal wertvoller als Gold.“ Ihr Mund war trocken.

Vargas schnaubte nur verächtlich. “Ist mir egal, was das ist. Wir müssen an dem Ding vorbei. Denk dir was aus.“

Der riesenhafte Ork ließ einen Teil der Dinge, die er geschleppt hatte, fallen. Dann richtete er sich auf und starrte ins Leere. Der kleine Ork auf seinen Schultern schlug ungeduldig zu und kreischte. Die Augen des Großen verengten sich. Ihr Blick richtete sich auf Marjella und Vargas.

“Wir müssen den Kleinen da runter holen“, sagte Marjella und wich einen Schritt zurück. “Allzu schnelle dürfte der …“

Der Ork sprang mit einem gewaltigen Satz vor und stieß Marjella beiseite. Sie prallte schmerzhaft auf den Boden. Hustend richtete sie sich wieder auf. Ihr Blick trübte sich, und sie beobachtete hilflos, wie das Riesenbiest Vargas schlug. Der warf sich zur Seite und rollte ab. Noch bevor er wieder auf die Beine kommen konnte trat der Ork zu. Vargas wich aus, duckte sich eilig. Der kleine Ork schrie auf und hämmerte wie ein Wilder auf den Kopf seines Trägers ein. Der schlug erneut zu. Seine Fäuste rissen Löcher in den Boden, Steinsplitter schossen davon.

Vargas griff an, stach zu. Die Klingen rutschten an der Haut des Orks ab. Der holte erneut aus und Vargas wurde durch die Luft geschleudert, landete hart.

Mit einem Satz war der Ork bei ihm und packte zu. Seine dicken Finger schlossen sich um Vargas Körper und drückten. Marjella konnte hören wie Vargas’ Knochen knackten. Er öffnete den Mund, brachte aber nur ein Japsen Zustande.

Marjella stemmte sich in die Höhe, kämpfte gegen den Schwindel und stürzte sich auf den Ork. Mit einem Schrei bohrte sie ihm ihr Schwert durch den Oberschenkel. Der Ork drehte sich und holte aus. Marjella konnte nicht ausweichen, ihre Gedanken waren zu träge, ihr Körper brannte vor Schmerz.

Der Schlag war nicht so heftig wie der erste, beförderte sie aber wieder ein ganzes Stück durch die Luft und zu Boden. Sie rang kurz um Atem, während der große Ork nach dem Schwert in seinem Bein griff und es herauszog. Er hob es zu seinem Reiter, der es begutachtete und dann wieder auf den Kopf des Riesen hämmerte. Der verstaute Marjellas Schwert achtlos zwischen dem anderen Plunder auf seinem Rücken.

Marjella knurrte und sprang auf. Sie sah, wie Vargas sich rührte. Die Messer in seinen Händen blitzten. Er stach sie in den nackten Fuß des Riesenorks. Der blinzelte und grunzte. Sein Reiter brüllte wütend.

Marjella rannte los und sprang ab. Sie landete auf dem vollbepackten Rücken des Riesen und klammerte sich an dem Pferdekadaver fest. Sie hörte Vargas brüllen und nutzte die Ablenkung, zog sich hoch und ergriff ihr Schwert. Mit einem Ruck wollte der Ork sie abschütteln. Marjella packte fester zu. Ihre Stiefel fanden Halt und sie stieg weiter auf den Berg aus Beute hinauf. Als sie über seine Gipfel sah, glotzte ihr der Giftzwerg entgegen. Mit einem höhnisches Grinsen zog er den Abzug seiner Armbrust durch.

Marjella wich dem Bolzen im letzten Augenblicklich aus und fiel.

Sie drehte sich und landete auf den Füßen. Über ihr erklang ein schmatzendes Geräusch. Sie sah auf. Vargas hatte den Augenblick genutzt in dem der Reiter abgelenkt und sein Träger ohne Anweisungen gewesen war. Er war dem Riesenorks auf die Arme gesprungen, hatte ohne hinzusehen mit dem einen Messer zugestoßen und zog nun das andere in einer fließenden Bewegung durch die Kehle des Giftzwerges.

Der Kopf fiel.

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